Home-Office und mobiles Arbeiten gelten als die Rettung in der Corona-Krise. Etliche Angestellte wurden zwangsweise in die Heimarbeit geschickt und das Home-Office als innovatives Arbeitsmodell gefeiert. Tatsächlich hat mobiles Arbeiten diverse Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Doch die gezwungene Arbeit von Zuhause – häufige ohne vernünftige mobile Lösungen – ist nicht das, was Home-Office eigentlich ausmacht.
Home-Office ist produktiv, wenn die Kommunikation stimmt
„Wenn man im Home-Office genauso oft unterbrochen wird wie im Büro, funktioniert Home-Office und die Kommunikation passt“, sagt Armin Lungwitz, bellmatec Geschäftsführer und Consultant zum Mobilen Arbeiten bei vielen Unternehmen, in einem Interview. Das derzeitige Gefühl, mehr zu schaffen, weil Kollegen und Kunden einen wenig unterbrechen, sei trügerisch und habe mit klassischem Home-Office nichts zu tun. „Produktives Home-Office ist ohne effektive Kommunikationsstrukturen nicht erreichbar“, so Lungwitz.
Doch wie gut kann die Kommunikation sein, wenn die Kinder im Team-Call Aufmerksamkeit brauchen oder der Video-Chat immer wieder unterbrochen wird, weil die Internetleitung nicht mitmacht?
Kinderbetreuung und Home-Office: Geht das?
Die Vorteile von Home-Office beruhen darauf, dass Zuhause eine entspannte Arbeitsatmosphäre geschaffen wird. Das ermöglicht konzentriertes und produktives Arbeiten. In der derzeitigen Situation sind viele Angestellte jedoch nicht allein Zuhause. Neben dem Ehepartner, der möglicherweise auch in die Heimarbeit verbannt wurde, müssen aufgrund der geschlossenen Schulen und Kitas die Kinder betreut werden.
Homeschooling und die Betreuung von nicht-schulpflichtigen Kindern neben dem Vollzeit-Job kann schlicht nicht produktiv sein. Da hilft es auch nicht, dass viele Angestellte neben dem Home-Office auch noch in der Kurzarbeit sind. Immerhin müssen die Kinder 24/7 betreut werden – glücklich ist, wer einen Garten am Haus hat und die Kids nach draußen schicken kann.
Absprachen und Kommunikation mit den Kollegen können in vielen Fällen nur per E-Mail stattfinden – dabei ist es häufig einfacher zum Telefon zu greifen oder ein Team-Meeting via Web-Konferenz abzuhalten. Mit spielenden Kindern im Hintergrund ist das eher anstrengend als produktiv.
Darüber hinaus ist die Familie den ganzen Tag zusammen, persönliche Freiräume und Aktivitäten derzeit größtenteils nicht möglich. Auf Dauer verursacht diese Situation Konflikte und Stress. Effektives und befreites Arbeiten ist daher kaum möglich.
Die Angst vor der Arbeitslosigkeit
Während einige Branchen von der Corona-Krise durchaus profitieren, haben es andere sehr viel schwerer. Wirtschaftsexperten befürchten schwerwiegend Konsequenzen für viele Unternehmen – trotz finanzieller Unterstützung durch die Politik. Mit diesem Wissen und der Unsicherheit müssen viele Angestellte derzeit leben.
Habe ich morgen noch einen Job? Schafft es mein Unternehmen durch die Krise? Kann ich überhaupt eine neue Arbeitsstelle finden?
Solche Gedanken und Ängste sind für ein effizientes Arbeiten Zuhause ebenfalls nicht förderlich – genauso wenig wie sie es im Büro wären.
Technische Hürden, soziale Komponenten und IT-Sicherheit
„Es gibt Firmen, die entweder die Planung für Home-Office noch nicht abgeschlossen oder noch gar nicht begonnen haben“, erklärt Armin Lungwitz. Diese müssten jetzt adhoc die technischen Voraussetzungen für Remote-Arbeit schaffen. „Bei diesen Unternehmen wurden insbesondere die Themen Sicherheit und auch die psychologische Komponente von dauerhaftem Home-Office nicht betrachtet. Mitarbeiter sind jetzt unproblematischer erreichbar. Das Umschalten von Arbeit zu Freizeit fällt vielen Arbeitnehmern schwer. Das muss auch dem Arbeitgeber klar sein und er muss hier gegensteuern.“
Neben der häufig nicht bedachten sozialen Komponente erschweren technische Hürden das Home-Office. Noch immer können Mitarbeiter in vielen Unternehmen nicht auf die Daten im Unternehmen zugreifen. Übergangslösungen über Team Viewer oder in Wechselschichten sollen Abhilfe schaffen.
Produktives Arbeiten Zuhause ist aber nur möglich, wenn auch die technischen Voraussetzungen stimmen. Dazu gehört neben dem uneingeschränkten Zugriff auf Dateien im Unternehmen – über VPN oder spezielle Software-Lösungen wie die bellmatec App io:drive – , eine stabile Internetverbindung. Und hier können die Kapazitäten in manchen Haushalten schnell aufgebraucht sein, wenn nebenbei noch die Lieblingsserien auf Netflix, Prime und Co. gestreamt werden.
Was bedeute das für die Zukunft des Home-Office?
Viele Experten feiern bereits den Einzug des Home-Office in die moderne Unternehmenskultur. Die Krise ebne den Weg für ein modernes und flexibleres Arbeiten. Doch die Frage darf gestellt werden, ob Unternehmen und Angestellte unter den gegebenen Umständen überhaupt im Home-Office arbeiten wollen.
Die derzeitige Situation spiegelt die Vorteile des mobilen Arbeitens nur bedingt wider. Wo eigentlich Produktivitätssteigerung und Effizienz gelten sollten, herrscht derzeit die Stimmung „irgendwie den Job trotzdem zu machen“.
Das bedeutet nicht, dass Home-Office per se schlecht ist. Die große Frage für die Zukunft ist, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Vorteile in der momentanen Situation erkennen können. Dann kann die moderne Arbeitskultur sich tatsächlich verändern – und das mobile Arbeiten ganz normal werden.
Bilder: Anastasia Shuraeva (Unsplash)